Neues Leben für alte Häuser - auf dem Sonnenberg
27.10.2022
In der Reihe "Neues Leben für alte Häuser" stellen wir heute das Haus an der Zietenstraße 42 vor. Das denkmalgeschützte Eckgebäude auf dem Chemnitzer Sonnenberg weist einige architektonische Besonderheiten und eine besonders reich verzierte Fassade auf.
Fassadendetails an der Zietenstraße 42
In den Fokus der Agentur StadtWohnen Chemnitz geriet das Haus 2017 als die konkrete Anfrage eines Vereines die Projektmitarbeiter erreichte. Der Verein interessierte sich für die leerstehenden Gewerbeeinheiten im Erdgeschoss. Diese Anfrage „brachte den Stein ins Rollen“. Die Alteigentümer in Schottland reagierten nicht auf verschiedene Kontaktversuche, hatten sich jahrelang weder um das Gebäude noch um die damit zusammenhängenden Pflichten gekümmert. So hatte sich eine hohe Summe an Steuerrückständen angesammelt. Die Stadt Chemnitz beantragte eine Zwangsversteigerung, die im November 2017 stattfand. Während des Termins knüpften die Mitarbeiter der Agentur den Kontakt zu den beiden neuen Eigentümern, die das Haus ersteigert hatten.
Zur Geschichte des Hauses
Das Gebäude an der Zietenstraße 42 wurde 1909 errichtet. Ausführender Bauherr und Eigentümer war Moritz Hermann Petersohn, der in Chemnitz sehr aktiv war und eine Reihe von Häusern erbaute. 1911 verkaufte er das Gebäude an Emil und Helene Kluge. Es blieb bis 1972 im Besitz verschiedener Erben der beiden.
Historische Ansicht der Zietenstraße 42, Bauktenarchiv Chemnitz
Von Beginn an befanden sich zwei Ladeneinheiten im Gebäude. So befand sich im Erdgeschoss ab 1911 ein „Verkaufslokal des Allgemeinen Konsumvereins für Chemnitz und Umgegend e.G.m.b.H“, der einer der ältesten Konsumvereine Deutschlands war und das Ziel hatte, Verbraucher mit preiswerten Qualitätswaren zu versorgen. Nach der Liquidation des Vereins 1935 übernahm Gertrud Richter den Laden und verkaufte hier Lebensmittel.
In den anderen Laden zog eine Zuckerwaren- und Schokoladenhandlung ein, die sich bis 1931 mit wechselnden Eigentümern dort hielt. Danach verwandelte sich das Süßigkeitengeschäft in einen Frisörsalon. Bis in die 1990er Jahre war in dem Haus ein Frisör zu finden.
Während des 2. Weltkriegs blieb die Zietenstraße 42 von direkten Bombentreffern verschont, doch Schäden durch Splitter und Luftdruckwellen mussten behoben werden, wofür die „Freigabe von Baustoffen in Aussicht gestellt“ wurde.
Am 01. Dezember 1947 eröffnete die Konsumgenossenschaft ein Lebensmittelgeschäft im Erdgeschoss. Fünf Menschen waren dort beschäftigt.
Konsumlogo, Bauaktenarchiv Chemnitz
In der vierbändigen Bauakte zum Haus häufen sich nach dem Krieg die Beschwerden der Mieter über aufsteigende Nässe und undichte Dächer, Beschwerden der Eigentümer über fehlende Handwerker und Schreiben der Bauaufsicht, die u.a. die Sicherheit der Mieter durch einen maroden Balkon auf der Hofseite gefährdet sah. Der schlechte Zustand des Balkons wurde erstmals 1960 festgestellt. Behoben wurde der Mangel nicht. In einem Schreiben von 1962 an den Stadtbezirk Mitte-Nord bemerkte der betroffene Mieter spitz:
Bezugnehmend auf Ihr Antwortschreiben vom 25.04.1962 auf Grund meiner Beschwerde, muss ich leider feststellen, dass einige Ihrer Mitarbeiter Sie oder mich an der Nase herumführen.
Der Balkon blieb baufällig bis er und der darunterliegende schließlich 1978 abgetragen wurden.
Mitte der 1980er Jahre begannen die Planungen für die sogenannte Komplexsanierung, die bei vielen Häusern in Karl-Marx-Stadt durchgeführt wurde. Interessanterweise war in die Planungen als "Investitionsauftraggeber" der VEB HAG Komplexer Wohnungsbau Karl-Marx-Stadt involviert. Aus der HAG sollte später die WGS mbH hervorgehen, die Projektträger der Agentur StadtWohnen ist.
Die Ladeneinheiten wurden saniert und modernisiert. Neben dem Konsum fand der Frisörsalon Tuttaß seinen Platz. Nach 1990 bezog „ALEKS“ den Erdgeschossbereich, ein Laden der osteuropäische Spezialitäten anbot und bis 2012 dort seinen Sitz hatte.
Foto: AG Sonnenberg, E. Roßberg
Die Zukunft des Hauses
Die neuen Eigentümer haben die Planung für die vollständige Modernisierung des Gebäudes abgeschlossen und beginnen in absehbarer Zeit mit den Sanierungsarbeiten.
Die Zietenstraße 42 liegt an der „Kreativachse Chemnitz“, die in das bundesweite Förderprogramm „Zukunftsfähige Innenstädte und Zentren“ aufgenommen wurde. Darin soll unter anderem mit individuellen Konzepten Leerständen von Ladeneinheiten entgegengewirkt werden. Die beiden Eigentümer der Zietenstraße 42 sind offen für neue Ideen und so kann absehbar in naher Zukunft ein neues Kapitel der Geschichte des Hauses geschrieben werden.
Ein herzlicher Dank für die Unterstützung für diesen Beitrag geht an die AG Sonnenberg und das Bauaktenarchiv Chemnitz.
Zietenstraße 42, 2022